Tücken der Prozentrechnug


28. Oktober 2023

«Oha! Meine Besucherzahlen sind im September um 20% gegenüber dem August zurückgegangen. Das heisst, im Oktober müsste ich um 20% steigern, damit ich die Augustzahlen wieder erreiche.»

Falsch! Nach einem Rückgang von 20% muss ich um 25% steigern, um wieder auf den Ausgangswert zu kommen. Das ist nicht intuitiv, aber leider korrekt: Wenn ich vom Ausgangswert um 20% nach unten gehe, komme ich bei 80% an. Von diesen 80% machen die verlorenen 20% aber nicht mehr ein Fünftel aus, sondern ein Viertel. Will ich zum alten Wert zurück, muss ich nun um ein Viertel, und das sind 25%, zulegen.

Ganz augenfällig ist es, wenn ich einen Verlust von 50% verbuche. In diesem Fall beträgt der neue Wert die Hälfte des alten, folglich muss ich verdoppeln, um wieder auf den alten Wert zu kommen.

Alter WertVerlust in %Verlust absolutNeuer Werterforderlicher Zugewinn
100 10 %1090 11.11 %
100 20 %2080 25.00 %
100 50 %5050 100.00 %
100 70 %7030 233.33 %
100 90 %9010 900.00 %

Die Formel zur Umrechnung von Verlust in erforderlichen Zugewinn, um wieder zum Ausgangswert zurückzukommen, lautet: 100*p/(100-p). Hierbei ist p die Prozentzahl des Verlusts.

Die Grafik zur Formel sieht in Google Sheets so aus:
Grafik aus der Tabellenkalkulation

Ungünstig für Zielvorgaben

Dieser Zusammenhang zwischen Abnahme und Zunahme in Prozent kann bei Zielvorgaben zu Verunsicherung führen. Habe ich im letzten Quartal 20% weniger Umsatz gemacht, verlangt der Vorgesetzte, dass ich im laufenden Quartal 25% mehr Umsatz machen, um wieder auf Kurs zu kommen. Das klingt ungerecht. In absoluten Zahlen ausgedrückt bedeutet das allerdings nur: Ich habe 10'000 CHF weniger umgesetzt, nun muss ich 10'000 CHF mehr umsetzen, um die Scharte wieder auszuwetzen - und das leuchtet ein.

Vorsicht bei Lohnverhandlungen

Angenommen, eine Firma musste während schwieriger Zeiten die Löhne einiger Mitarbeiter um 25% kürzen. Nun geht es wieder aufwärts, und die Firma kündigt an, diese Löhne werden ab 1. Januar um 25% heraufgesetzt. Bekommen die Betroffenen dann genau so viel wie vor der Lohnkürzung? Nein! Sie erhalten in Wirklichkeit 6.25% weniger als zuvor. Das lässt sich ganz einfach zeigen: Verdiente jemand vor der Lohnkürzung CHF 8000.-, verdient er oder sie danach 6000.- Wenn dann der Lohn von 6000.- um 25% heraufgesetzt wird, beträgt der neue Lohn 7500.-, also 500 CHF weniger als vor der Lohnkürzung, das entspricht einem Minus von 6.25% des ursprünglichen Lohns.

Kleiner Exkurs ins Reich der Mathematik

Der Zusammenhang zwischen der Abnahme in Prozent und der ausgleichenden Zunahme in Prozent ist: Anfangswert A - A*x = B (neuer Wert) und B + B*y = A (wieder der Anfangswert), wobei x und y die Prozentsätze der Ab- bzw. Zunahme sind. Was uns interessiert ist, wie x und y zusammenhängen. Und hier finden wir die Funktion y = f(x) = 100*x/(100-x). Wenn wir x und y nicht in Prozent, sondern in schlichten rationalen Zahlen ausdrücken, wird aus der 100 eine 1 und die Formel lautet y = f(x) = 1*x/(1-x), und gehört damit ebenfalls zur Funktionsschar y = a*x/(a-x).

Wenn wir die mathematische Funktion in ein kartesisches Koordinatensystem einzeichnen, zeigt sich folgendes Bild. Alle Funktionen der Form y = a*x/(a-x) sind an der Stelle x = a undefiniert, da an dieser Stelle der Nenner Null wird und der Funktionswert gegen postiv und negativ Unendlich strebt. Bei unserer Funktion, bei der wir a = 100 setzen, darf x also nicht 100 werden. Werte im Bereich x > 100 sind mathematisch zwar definiert, sind für unseren Zusammenhang allerdings ohne Belang, denn mit einem Verlust von mehr als 100 Prozent brauchen wir nicht zu rechnen. Ebenfalls ohne Belang sind negative Verluste, denn in diesem Fall brauchen wir nur die Bezugsgrössen zu vertauschen.

Plot der Funktion y=100*x/(100-x)

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